
In der Geschäftswelt wird mit großem Interesse eine neue Erscheinung beobachtet: die islamische Wirtschaft.
Die islamischen Geschäfts- und Finanzstrukturen erobern allmählich die Märkte nicht nur im Osten, sondern auch in Europa und in den USA. Islamische Ökonomen erklären deren Erfolge durch Flexibilität und Innovationskraft des islamischen Bankensystems. Zudem wird unterstrichen, dass die islamischen Banken eine ausgezeichnete Stabilität in der Krise gezeigt haben.
Die islamischen Geschäfts- und Finanzstrukturen erobern allmählich die Märkte nicht nur im Osten, sondern auch in Europa und in den USA. Islamische Ökonomen erklären deren Erfolge durch Flexibilität und Innovationskraft des islamischen Bankensystems. Zudem wird unterstrichen, dass die islamischen Banken eine ausgezeichnete Stabilität in der Krise gezeigt haben.
Am 26. und 27. Mai fand in Moskau die internationale Konferenz „Islamische Finanzen und Investitionen" statt. Bei der Konferenz sprachen die Teilnehmer über die Entwicklungsaussichten des islamischen Finanzsystems in Russland und in der Welt.
Wie Mushtak Parker, Herausgeber des Londoner „Islamic Banker Magazine", bei der Eröffnung der Konferenz betonte, gibt es weltweit rund 600 Geschäftsstrukturen, die nach den Prinzipien der islamischen Wirtschaft funktionieren. In diesem System befinden sich nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 750 Milliarden und zwölf Billionen US-Dollar.
Das islamische Finanzsystem kontrolliert anscheinend etwa fünf Prozent der Weltwirtschaft. Zu den größten Märkten des islamischen Finanzwesens gehören Saudi-Arabien und Malaysia. Viele europäische und US-amerikanische Banken eröffnen islamisch orientierte Niederlassungen nicht nur in muslimischen Ländern, sondern auch in Europa und in den USA.
Um den Grund der Erfolge zu verstehen, muss man klären, was hinter den Begriffen „Islamische Wirtschaft" und „Islamische Finanzen" steckt. Gewöhnlich versteht man unter der islamischen Wirtschaft eine Wirtschaft, die die Regeln der Scharia folgt. Laut Gejdar Dschemal, dem Vorsitzenden des islamischen Komitees Russlands, ist „das Verbot auf Spielchen mit der Zeit das wichtigste". Dies ist logisch, weil Prognosen dem Prinzip „Allah entscheidet, wie Er es möchte" widersprechen. Daraus ergibt sich unter anderem das Verbot für Termingeschäfte. Zudem wird das Zinsverbot beachtet: Die islamischen Banken bieten ihren Kunden zinsfreie Finanzprodukte an.
Nicht nur die Denker im Osten interessierten sich für das Problem der hohen Zinsen. In der antiken Tradition (im Grunde genommen der europäischen), die an den Markt und das Privateigentum orientiert war, wurde das Problem der Bankzinsen als eine der größten Fragen der Marktwirtschaft bezeichnet. Aristoteles verurteilte in seiner Naturphilosophie die Wucherer, weil sie das Geld zweckentfremdet (nicht für den Warenumtausch) gebrauchten und „Geld aus Geld machten". Deswegen ist die Wucherei „die übelste Beschäftigung".
Im Gegensatz zum rationalistischen Westen diskutierte man im Osten nicht über die für die Gesellschaft gefährlichen Erscheinungen. Man verbat sie einfach. Im Nahen Osten, wo der Handel einer der wichtigsten Bereiche war, war die Wucherei ein großes Problem. Die Zinsen der „Banker" waren so hoch, dass der Kunde den Kredit manchmal sein ganzes Leben abarbeiten musste.
Das Verbot erzeugt immer listige Gegenreaktionen. Im Mittelalter galt in den islamischen Staaten ein Verfahren: Der Wucherer bat dem Kunden einen zinsfreien Kredit an. Dabei übernahm der Geldnehmer „freiwillig" die Pflicht (sie konnte in einem zusätzlichen Vertrag festgelegt werden), sich dem Wucherer nach einer bestimmten Zeit dankbar zu zeigen - also ihm eine bestimmte Geldsumme zusätzlich zur Kreditsumme zu zahlen. Aber keine Zinsen! Russischen Arabisten zufolge wurde in den 1980er Jahren noch so verfahren.
Dennoch steht der Fortschritt nie still. Die Instrumente des islamischen Bankensystems sind unterschiedlicher und moderner geworden. Man kann sie als einen Versuch bezeichnen, die westlichen wirtschaftlichen Begriffe und Finanzprodukte zu islamisieren. Die wichtigsten Instrumente sind „Mudaraba" (Beteiligungsfinanzierung): Die Bank investiert in ein Projekt, wobei die Verluste der Kapitalbesitzer trägt. Ein anderes Instrument heißt „Musharaka" (eine Art der Beteiligungsfinanzierung, die zeitlich begrenzt ist). Es handelt sich um ein Joint Venture, bei dem mindestens zwei Teilnehmer eine Vereinbarung treffen, sich am Gemeinschaftsunternehmen mit Kapital zu beteiligen und den Gewinn gemäß dem Vertrag und den Verlust anteilsmäßig aufzuteilen.
Islamische Banken bieten ebenfalls zinsfreie Verbraucherkredite (Murabaha) an. Wenn ein Kunde kein Geld hat und einen Kühlschrank kaufen will, erwirbt ihn die Bank und übergibt ihn dem Kunden. Im Laufe von einem Jahr muss der Kunde die ganze Summe mit einem Aufschlag (beispielsweise zehn Prozent) der Bank zurückzahlen.
Die islamischen Finanzstrukturen sind tatsächlich flexibel. Laut Finanzexperten sind sie jedoch wegen fehlender Finanzinstrumente wie Termingeschäfte oder Hedge Fonds kaum Konkurrenz. Vielleicht kann man dadurch die Tatsache erklären, dass der Anteil der islamischen Finanzinstrumente selbst in den Ländern, wo die Regeln der Scharia beachtet werden (wie Saudi-Arabien), nicht so groß ist. Selbst in Brunei (das Land mit dem größten Anteil der islamischen Finanzinstrumente) macht er nur 40 Prozent aus.
Wodurch sind dann die Erfolge der islamischen Wirtschafts- und Finanzsysteme und deren Stabilität in der Weltkrise zu erklären?
Bis Anfang der 1970er Jahre hat man nichts über die spezifische islamische Wirtschaft und deren Erfolge gehört. Ägypten war wohl das entwickeltste Land in der arabisch-islamischen Region. Die Sowjetunion förderte intensiv seine wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch war die ägyptische Wirtschaft nach dem heutigen Maßstab sehr schwach und rückständig.
Die Situation änderte sich nach zwei Ereignissen: die Verstaatlichung der Ölindustrie durch die Länder der Arabischen Halbinsel und der israelisch-arabische Krieg von 1973, weshalb die Ölpreise rasant anstiegen. „Das schwarze Gold" sprudelte aus der arabischen Wüste und brachte die „Petro-Dollars" in Umlauf. Dadurch verwandelten sich die einst rückständigen Monarchien mit Hilfe der westlichen Spezialisten in die Länder mit großen Möglichkeiten und Hightech. Kurz danach wurden Hunderte Milliarden Öl-Dollar in den europäischen Banken deponiert und in Aktien der westlichen Unternehmen und Börsen investiert.
Diese Euphorie brachte eine neue Idee hervor - die Bildung eines spezifischen islamischen Finanzsystems. Es handelte sich um ein rein politisches Projekt. Die Spitzenpolitiker Saudi-Arabiens und anderer Öl-Staaten beschlossen, dass die Milliarden, die sie in die Verbreitung des Islams weltweit investiert hatten, sich zweifellos decken werden. Laut unabhängigen Experten waren die vorteilhaften Finanzierungsbedingungen der islamischen Banken und deren Stabilität in der Krise mit den Öl-Dollars der arabischen Monarchien bezahlt worden.
Es gibt einen weiteren Grund für den Erfolg der islamischen Banken. Wie der bekannte russische Orientalist Leonid Wassiljew betont, ist eine enge Verflechtung von drei Komponenten in den traditionellen östlichen Wirtschaften zu erkennen: der Staat, die Clans und der Markt. Dabei spielt der Markt eine untergeordnete Rolle. Das wichtigste Merkmal dieser Verbindung ist deren Undurchsichtigkeit. Deswegen gibt es sehr große Unterschiede bei den Einschätzungen, wie viel Geld sich tatsächlich im islamischen Finanzsystem befindet.
Das islamische Finanzwesen unterscheidet sich also stark von der europäischen Tradition, wo eine transparente konkurrenzfähige Wirtschaft als Ideal bezeichnet wird und die Spielregeln äußerst klar sind.
Sehr wichtig (obwohl weniger auffallend) ist die Tatsache, dass diejenigen Spieler, die die Transparenz bevorzugen, unter den gleichen Bedingungen gegen diejenigen verlieren, die ihre eigenen Spielregeln haben, die nur ihnen klar sind. Es stellt sich die Frage: Soll man überhaupt ein Spiel mit fremden Regeln beginnen?
RIA Novosti
Wie Mushtak Parker, Herausgeber des Londoner „Islamic Banker Magazine", bei der Eröffnung der Konferenz betonte, gibt es weltweit rund 600 Geschäftsstrukturen, die nach den Prinzipien der islamischen Wirtschaft funktionieren. In diesem System befinden sich nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 750 Milliarden und zwölf Billionen US-Dollar.
Das islamische Finanzsystem kontrolliert anscheinend etwa fünf Prozent der Weltwirtschaft. Zu den größten Märkten des islamischen Finanzwesens gehören Saudi-Arabien und Malaysia. Viele europäische und US-amerikanische Banken eröffnen islamisch orientierte Niederlassungen nicht nur in muslimischen Ländern, sondern auch in Europa und in den USA.
Um den Grund der Erfolge zu verstehen, muss man klären, was hinter den Begriffen „Islamische Wirtschaft" und „Islamische Finanzen" steckt. Gewöhnlich versteht man unter der islamischen Wirtschaft eine Wirtschaft, die die Regeln der Scharia folgt. Laut Gejdar Dschemal, dem Vorsitzenden des islamischen Komitees Russlands, ist „das Verbot auf Spielchen mit der Zeit das wichtigste". Dies ist logisch, weil Prognosen dem Prinzip „Allah entscheidet, wie Er es möchte" widersprechen. Daraus ergibt sich unter anderem das Verbot für Termingeschäfte. Zudem wird das Zinsverbot beachtet: Die islamischen Banken bieten ihren Kunden zinsfreie Finanzprodukte an.
Nicht nur die Denker im Osten interessierten sich für das Problem der hohen Zinsen. In der antiken Tradition (im Grunde genommen der europäischen), die an den Markt und das Privateigentum orientiert war, wurde das Problem der Bankzinsen als eine der größten Fragen der Marktwirtschaft bezeichnet. Aristoteles verurteilte in seiner Naturphilosophie die Wucherer, weil sie das Geld zweckentfremdet (nicht für den Warenumtausch) gebrauchten und „Geld aus Geld machten". Deswegen ist die Wucherei „die übelste Beschäftigung".
Im Gegensatz zum rationalistischen Westen diskutierte man im Osten nicht über die für die Gesellschaft gefährlichen Erscheinungen. Man verbat sie einfach. Im Nahen Osten, wo der Handel einer der wichtigsten Bereiche war, war die Wucherei ein großes Problem. Die Zinsen der „Banker" waren so hoch, dass der Kunde den Kredit manchmal sein ganzes Leben abarbeiten musste.
Das Verbot erzeugt immer listige Gegenreaktionen. Im Mittelalter galt in den islamischen Staaten ein Verfahren: Der Wucherer bat dem Kunden einen zinsfreien Kredit an. Dabei übernahm der Geldnehmer „freiwillig" die Pflicht (sie konnte in einem zusätzlichen Vertrag festgelegt werden), sich dem Wucherer nach einer bestimmten Zeit dankbar zu zeigen - also ihm eine bestimmte Geldsumme zusätzlich zur Kreditsumme zu zahlen. Aber keine Zinsen! Russischen Arabisten zufolge wurde in den 1980er Jahren noch so verfahren.
Dennoch steht der Fortschritt nie still. Die Instrumente des islamischen Bankensystems sind unterschiedlicher und moderner geworden. Man kann sie als einen Versuch bezeichnen, die westlichen wirtschaftlichen Begriffe und Finanzprodukte zu islamisieren. Die wichtigsten Instrumente sind „Mudaraba" (Beteiligungsfinanzierung): Die Bank investiert in ein Projekt, wobei die Verluste der Kapitalbesitzer trägt. Ein anderes Instrument heißt „Musharaka" (eine Art der Beteiligungsfinanzierung, die zeitlich begrenzt ist). Es handelt sich um ein Joint Venture, bei dem mindestens zwei Teilnehmer eine Vereinbarung treffen, sich am Gemeinschaftsunternehmen mit Kapital zu beteiligen und den Gewinn gemäß dem Vertrag und den Verlust anteilsmäßig aufzuteilen.
Islamische Banken bieten ebenfalls zinsfreie Verbraucherkredite (Murabaha) an. Wenn ein Kunde kein Geld hat und einen Kühlschrank kaufen will, erwirbt ihn die Bank und übergibt ihn dem Kunden. Im Laufe von einem Jahr muss der Kunde die ganze Summe mit einem Aufschlag (beispielsweise zehn Prozent) der Bank zurückzahlen.
Die islamischen Finanzstrukturen sind tatsächlich flexibel. Laut Finanzexperten sind sie jedoch wegen fehlender Finanzinstrumente wie Termingeschäfte oder Hedge Fonds kaum Konkurrenz. Vielleicht kann man dadurch die Tatsache erklären, dass der Anteil der islamischen Finanzinstrumente selbst in den Ländern, wo die Regeln der Scharia beachtet werden (wie Saudi-Arabien), nicht so groß ist. Selbst in Brunei (das Land mit dem größten Anteil der islamischen Finanzinstrumente) macht er nur 40 Prozent aus.
Wodurch sind dann die Erfolge der islamischen Wirtschafts- und Finanzsysteme und deren Stabilität in der Weltkrise zu erklären?
Bis Anfang der 1970er Jahre hat man nichts über die spezifische islamische Wirtschaft und deren Erfolge gehört. Ägypten war wohl das entwickeltste Land in der arabisch-islamischen Region. Die Sowjetunion förderte intensiv seine wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch war die ägyptische Wirtschaft nach dem heutigen Maßstab sehr schwach und rückständig.
Die Situation änderte sich nach zwei Ereignissen: die Verstaatlichung der Ölindustrie durch die Länder der Arabischen Halbinsel und der israelisch-arabische Krieg von 1973, weshalb die Ölpreise rasant anstiegen. „Das schwarze Gold" sprudelte aus der arabischen Wüste und brachte die „Petro-Dollars" in Umlauf. Dadurch verwandelten sich die einst rückständigen Monarchien mit Hilfe der westlichen Spezialisten in die Länder mit großen Möglichkeiten und Hightech. Kurz danach wurden Hunderte Milliarden Öl-Dollar in den europäischen Banken deponiert und in Aktien der westlichen Unternehmen und Börsen investiert.
Diese Euphorie brachte eine neue Idee hervor - die Bildung eines spezifischen islamischen Finanzsystems. Es handelte sich um ein rein politisches Projekt. Die Spitzenpolitiker Saudi-Arabiens und anderer Öl-Staaten beschlossen, dass die Milliarden, die sie in die Verbreitung des Islams weltweit investiert hatten, sich zweifellos decken werden. Laut unabhängigen Experten waren die vorteilhaften Finanzierungsbedingungen der islamischen Banken und deren Stabilität in der Krise mit den Öl-Dollars der arabischen Monarchien bezahlt worden.
Es gibt einen weiteren Grund für den Erfolg der islamischen Banken. Wie der bekannte russische Orientalist Leonid Wassiljew betont, ist eine enge Verflechtung von drei Komponenten in den traditionellen östlichen Wirtschaften zu erkennen: der Staat, die Clans und der Markt. Dabei spielt der Markt eine untergeordnete Rolle. Das wichtigste Merkmal dieser Verbindung ist deren Undurchsichtigkeit. Deswegen gibt es sehr große Unterschiede bei den Einschätzungen, wie viel Geld sich tatsächlich im islamischen Finanzsystem befindet.
Das islamische Finanzwesen unterscheidet sich also stark von der europäischen Tradition, wo eine transparente konkurrenzfähige Wirtschaft als Ideal bezeichnet wird und die Spielregeln äußerst klar sind.
Sehr wichtig (obwohl weniger auffallend) ist die Tatsache, dass diejenigen Spieler, die die Transparenz bevorzugen, unter den gleichen Bedingungen gegen diejenigen verlieren, die ihre eigenen Spielregeln haben, die nur ihnen klar sind. Es stellt sich die Frage: Soll man überhaupt ein Spiel mit fremden Regeln beginnen?
RIA Novosti