
Millionen gläubige Muslime wollen ihr Geld anlegen. Sie können aber aufgrund religiöser Beschränkungen nicht einfach Aktien oder Anleihen kaufen. Die Lösung sind Scharia-konforme Produkte, also solche, die dem islamischen Recht entsprechen. Noch ist der Markt klein: 2011 wurden islamische Anleihen im Volumen von 26 Mrd. Dollar begeben, der globale Bond-Emissionsmarkt hatte im selben Zeitraum ein Volumen von 763 Mrd. Dollar.
Im Kern geht es darum, dass es den islamischen Regeln zufolge ein Zinsverbot, ein Spekulationsverbot und ein Glücksspielverbot gibt. Ein Moslem darf also weder Zinsen erhalten noch bezahlen und kann dementsprechend keine verzinsten Finanzprodukte in Anspruch nehmen. Um diesen Widerspruch aufzulösen, sind spezielle Produkte aufgelegt worden. Vereinfacht erweben die Investoren Anteile an einem Produkt, das am Ende der Laufzeit mit Gewinn weiterverkauft wird. Damit entsteht kein Zinsgewinn, sondern ein erlaubter Veräußerungsgewinn.
In einem solchen potentiellen Milliardenmarkt darf Goldman Sachs natürlich nicht fehlen. Die Wall-Street-Bank hat in diesem Jahr ein insgesamt 2 Mrd. Dollar schweres Programm aufgelegt. Mittels einer so genannten Murabaha-Struktur wird in physische Rohstoffe investiert. Beraten lässt sie sich dabei von einem Gremium aus acht Korangelehrten. Doch anscheinend war das nicht ausreichend. Derzeit werden Stimmen laut, dass das Goldman-Programm doch nicht mit der Scharia übereinstimmt.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass mehre Islam-Finanz-Profis Goldman vorwerfen, dass nicht ersichtlich sei, was die Bank wirklich mit dem eingesammelten Geld macht und ob das Geld wirklich zinsfrei angelegt werde. Zudem gelte die Regel, dass ein Murabaha-Papier immer nur zum Nennwert gehandelt werden darf. Das Goldman-Produkt ist jedoch an der irischen Börse gelistet.
Harris Irfan von Cordoba Capital aus Dubai sagte: "Die Rohstoff-Murabaha-Struktur wird von der islamischen Gemeinschaft bereits heftig kritisiert. Diese betrachtet sie als einen fadenscheinigen Versuch klassische Zinsstrukturen zu tarnen. Und der Ansatz, das eingesammelte Geld zu nutzen, um klassisches Bankgeschäft zu finanzieren, ist irrwitzig."
Dies ist auch einer der Vorwürfe von Mohammed Khnifer. Er ist selbst Sukuk-Strukturierer bei der Bankenberatung Edcomm Group Banker's Academy. In einem Beitrag für die Online-Finanz-Plattform "Zawya" verweist er auf den Prospekt zu dem Produkt. Demnach dürfe das eingesammelte Geld von Goldman auch für generelle Firmenziele und zur normalen Refinanzierung der Bank genutzt werden. Ihm zufolge sei es unwahrscheinlich, dass die Bank das eingesammelte Vermögen wirklich konsequent islamkonform nutze und anlege - geschweige denn wirklich durchgängig in dem versprochenen Rohstoff. Außerdem ist das Produkt seiner Ansicht nach keine Murabaha-Struktur.
Goldman Sachs selbst sagt dazu, man sei überzeugt, das Produkt sei mit islamischem Recht vereinbar. Aussagen über die genaue Verwendung des eingesammelten Geldes, machte die Bank jedoch nicht. Auch die Islamgelehrten, die das Produkt von Goldman Sachs abgenickt haben, weisen die Vorwürfe zurück.
Denn die solche Produkte emittierenden Banken, darunter Goldman Sachs, JP Morgan und vor allem HSBC, haben spezielle Beraterkomitees eingerichtet. Es gibt aber auch Versuche generelle Richtlinien einzuführen, etwa durch das Islamic Financial Services Board in Kuala Lumpur. Diese sind jedoch nicht weltweit bindend. Hintergrund der Kontroverse ist neben dem Fehlen eines einheitlichen Richtliniensetzers vor allem die Tatsache, dass Banken die Islamprodukte auch zur eigenen Refinanzierung nutzen, weil sie für sie günstiger sind als klassische Bonds. Dass die Diskussion darüber noch nicht ausgestanden ist, zeigt sich auch an Äußerungen von Safdar Alam vom britischen Vermögensverwalter Solum Asset Management, der auf islamische Finanzprodukte spezialisiert ist. Alam sagte zu Bloomberg: "Auf der einen Seite fordern wir die Emittenten auf, die Islamic-Finance-Strukturen zur Refinanzierung zu nutzen. Das steht im krassen Gegensatz zum Zinsverbot. Auf der anderen Seite kritisieren wird diese Institute dann dafür, dass sie genau das tun."
Financial Times