
1,5 Milliarden der Weltbevölkerung sind Muslime, 50 Millionen leben in Europa. Im Islam gelten verschiedene Rechtsgrundsätze, etwa Zins- und Spekulationsverbot. Die Alternative des konventionellen Banksystems heißt "Islamic Banking". Ein Modell, das die Bankgeschäfte der Muslime "Koran-konform" regelt.
Wilhelm Kerschbaum, Geschäftsführer des European Institute for Islamic Finance (EIIF), zählt folgende Unterschiede zum konventionellen Banksystem auf: "Im islamischen Bankwesen sind Zinsen verboten. Man kann nur in ‚reine‘ Geschäfte investieren und nicht in Branchen, die der Koran ablehnt: Sexindustrie, Waffen und Alkohol." Ein weiteres Thema wäre die beliebte Sparform – die Lebensversicherung. "Der Koran verbietet das Glücksspiel, das Wetten um das Leben wird unmöglich. Alles, was nicht in Menschenhand liegt, ist demnach nicht versicherbar – etwa Blitzschlag", so Kerschbaum. Er betont, dass bei Islam-konformen Bankgeschäften "reale Warenströme realem Geld entsprechen".
Dieses weitgehend unbekannte Bankwesen gilt als Zukunftsmarkt. Laut dem britischen Finanzmagazin "The Banker" sind weltweit rund 575 Milliarden Euro Islam-konform angelegt. Die Ratingagentur Moody’s beziffert das Marktpotenzial dieses Bereichs mit fünf Billionen US-Dollar bis 2014. Weltweit gibt es fast 300 Koran-konforme Banken, die meisten sind im arabischen Raum vertreten.
Vorreiter des "Islamic Banking" in Europa sind die Engländer. Die "Islamic Bank of Britain" (IBB) startete im Jahre 2004. "Now you have the choice to do your business banking in the Halal way", lädt die Homepage ein. Das Wort "Halal" kommt aus dem Arabischen und bedeutet "erlaubt, rein": Dienstleistungen, die den islamischen Vorschriften entsprechen. Die Produktpalette lautet: Girokonten, Kredite, Eigenheimfinanzierungen. Als Zielgruppe gelten nicht nur Muslime.
Keine Islam-konforme Bank in Österreich
Koran-konformes Sparen ist seit 2010 in Deutschland möglich. Die Pionierarbeit leistete die "Kuveyt Türk Bank" in Mannheim. Das Ziel ist, die Lizenz für eine Volksbank zu erhalten. Das Prinzip: Anleger erhalten keine Zinsen, sind aber am wirtschaftlichen Erfolg der Bank beteiligt.
In Österreich gibt es zwar keine Bank nach diesem Modell, dafür aber eine vom Österreichischen Normungsinstitut erstellte "Islamic Banking Norm". "Die Norm ist eine Gebrauchsanleitung für das islamische Bankwesen", so Günther Rusznak, Präsident des Islamischen Informations- und Dokumentationszentrums. Diese gebe die Richtlinien, die "sowohl dem geltenden Recht als auch dem islamischen Rechtssystem – also dem Koran und der Sunnah – entsprechen".
Ob Geldinstitute davon Gebrauch machen werden und es als Wachstumsmarkt sehen? "Wir gehen davon aus, dass Banken neben den jetzigen Produkten auch dieses Segment bedienen werden", so Rusznak. Kontakte mit österreichischen Geldinstituten hat es gegeben, ein Angebot ist noch nicht zustande gekommen. Offenes Interesse hat nur Deniz Bank gezeigt.
Und wo liegt der Unterschied zwischen konventionellen und islamischen Banken? Nur in der Bezeichnungen der Dienstleistungen, um Kunden zu gewinnen? "Stimmt nicht", so Rusznak und gibt als Beispiel den Wohnungskauf: "Vorteilhaft ist, am Anfang des Geschäfts einen Fixpreis auszumachen. So kann der Kunde sein Budget kalkulieren."
Durch das Zinsverbot wäre ein Wohnungskauf über ein normales Darlehen nicht möglich. Die Bank erwirbt die Immobilie und verkauft diese mit einem Gewinnaufschlag per Raten an den Käufer weiter. Sie bleibt im Besitz der Bank, bis die Raten abgezahlt sind. Am Ende steht ein zweiter Verkauf: Der Käufer erwirbt die Wohnung von der Bank. Und da stößt man auf ein Problem: die zweimalige Zahlung der Grundsteuer, einmal beim Erwerb der Wohnung und einmal, wenn diese an den Kunden verkauft wird.
Wachstumspotenzial bei Baufinanzierungen
Trotz der noch nicht vorhandenen Gesetzesänderung sieht man im Baufinanzierungsgeschäft ein Wachstumspotenzial. Der Besitz einer eigenen Wohnung ist für Bürger türkischer Herkunft wichtig. In der Türkei liegt die Immobilienbesitzquote bei 80 Prozent, hier ist diese eher gering.
"Die Wachstumsrate in Österreich kann man nicht vorhersagen. Wir fangen bei null an. Ich bin optimistisch", so Rusznak. Zwei Gründe habe er dafür: die steigende Population der Muslime und deren Spargewohnheiten. Diese verdienen im Durchschnitt weniger als ein österreichischer Haushalt, die Sparquote ist aber in der Regel höher.
"In der Community besteht reges Interesse für die Islam-gerechten Finanzprodukte", so Carla Baghajati, Sprecherin der islamischen Glaubensgemeinschaft. Man wolle nicht Teil des Handels mit "Luft" sein, sondern einen Zugang zu der Finanzwelt mit einem "ethischen Verständnis" finden.
Privatunternehmen bieten bereits erste Produkte am Markt an: Immobilien und Versicherungen. Johannes Führinger begann im Jahr 2007, Islam-konforme Wohnungskäufe anzubieten. Jetzt hat er zwölf Objekte und ein Investitionsvolumen von 1,5 Millionen Euro. "Das Geschäft ist im Steigen begriffen, auch das bei Versicherungen", so Führinger. Dort hat er 200 Kunden. Er definiert sein Angebot als "langfristiges Sparen mit Verwaltungsfunktion" und nicht als "Lebensversicherung".
Führinger möchte mit seinem Unternehmen wachsen. Dafür benötigt er "frisches Geld" und dieses kann nicht immer von Islam-konformen Geldinstituten kommen. Ein möglicher Kritikpunkt des noch jungen Geschäfts.
In ein bis zwei Jahren könnte in Österreich eine Koran-konforme Bank am Markt sein. "In Großbritannien leben 1,5 Millionen Muslime, dort gibt es sieben Islam-konforme Banken. In Österreich leben 500.000 – also wäre eine Bank realistisch", so Wilhelm Kerschbaum. Falls österreichische Banken das Nischenprodukt übernehmen, müssen diese sogenannte "Sharia Boards" einrichten. Noch ein Punkt, der für Aufregung sorgen könnte.
Muslime, die sich des gängigen Finanzsystems bedient haben, werden nicht bestraft, da es keine Wahlmöglichkeit gab. Als Multiplikatoren für neue Angebote sieht Kerschbaum die Imame.
wienerzeitung.at