
In Mannheim gibt es keine Straßennamen, sondern Planquadrate, die die Innenstadt wie ein Gitternetz durchziehen. In die Hausnummer 9 im Quadrat U1 ist kürzlich ein neuer Mieter eingezogen, der Ableger einer kuwaitisch-türkischen Bank. Vor wenigen Wochen hat er seine Türen für eine ganz spezielle Kundengruppe geöffnet: für gläubige Muslime, die beim Umgang mit Geld besondere Regeln beachten müssen.
Kuveyt Türk Beteiligungsbank heißt das Institut. Sein Ansatz ist in der muslimischen Welt nicht neu. Islamic Finance ist der übergeordnete Begriff dafür, darunter fallen sämtliche Finanzdienstleistungen, die mit islamischen Prinzipien im Einklang stehen. Kuveyt Türk ist der erste lizenzierte Dienstleister dieser Art in Deutschland. Weitere Filialen sind geplant. Glaubt man den Experten, könnte sich das Geschäft lohnen, denn sie sehen darin einen Milliardenmarkt. Manch einer geht sogar noch weiter: Am islamischen Geldwesen, so die Hoffnung, könne womöglich das weltweite Finanzsystem genesen.
Die islamische Welt hatte lange Zeit ein Problem. Gerade in den reichen Golfstaaten existieren riesige Geldvermögen, doch eine Anlage bei gewöhnlichen Banken kommt dafür nicht infrage. Denn die Bibel der Muslime, der Koran, und das davon abgeleitete Regelwerk Scharia verbieten das Kassieren von Zinsen (riba).
Wie können sich also Muslime an die Heilige Schrift halten und dennoch ihr Geld vermehren? Diese Frage beantwortete erstmals der Ägypter Ahmed El-Naggar. In seiner Doktorarbeit, die er in den sechziger Jahren in Köln schrieb, legte er dar, wie man Zinsen und andere Verbote vermeiden und gleichzeitig Geldgeschäfte abschließen kann. Später gründete El-Naggar in seiner Heimat die wohl erste islamische Bank der Welt. Das grundlegende Geschäftsprinzip dahinter: Die Bank streicht keine risikolosen Zinsen ein, wenn sie Kunden einen Kredit gewährt. Stattdessen wird sie am Gewinn beteiligt, der mit dem geliehenen Geld in Zukunft erzielt wird. Das birgt ein gewisses Risiko für den Kreditgeber, der Gewinn kann ja auch einfach ausbleiben, aber immerhin ist dieser Geldhandel mit dem Glauben vereinbar.
Aus El-Naggars Ideen ist ein ernst zu nehmender Zweig der Finanzindustrie geworden. Vor allem im Nahen Osten und in Asien operieren heute gut drei Dutzend islamische Spezialbanken. Ihre Vermögenswerte wachsen laut einer Studie des Beratungshauses Booz & Company Jahr für Jahr um 22,1 Prozent, zuletzt summierten sie sich auf nahezu eine Billion US-Dollar.
Auch in Europa, vor allem in Großbritannien, sind bereits mehrere islamische Banken aktiv. »Hinter den meisten neuen Banken stehen reiche muslimische Investoren, die ihr eigenes Geld sauber anlegen und zugleich diese Möglichkeit auch für andere Muslime schaffen wollen«, erklärt Philipp Wackerbeck, der sich bei Booz & Company auf dieses Thema spezialisiert hat.
Experten schätzen das Marktpotenzial in Deutschland auf 1,2 Milliarden Euro
In Deutschland dagegen ist das Angebot für Privatanleger bislang beschränkt auf drei Aktienfonds, die sich in ihrem Portfolio von herkömmlichen Fonds unterscheiden. Darin kommen weder Banken vor, die reguläre Zinsen zahlen und kassieren, noch sämtliche Anbieter von Glücksspiel, Alkohol oder Pornografie. Daneben gibt es bei der Deutschen Bank und der Hypovereinsbank sogenanntes Ethno-Marketing. In der Praxis heißt das: Deutsche Türken werden hier in ihrer eigenen Sprache umworben und bedient, Religion spielt aber keine Rolle. Und das soll auch so bleiben. Es bestehe keine Nachfrage nach islamischen Produkten, heißt es bei beiden Instituten. Die Commerzbank hat ihren schon im Jahr 2000 aufgelegten islamischen Fonds inzwischen sogar vom Markt genommen.
Angeblich mangels Käuferinteresse. Doch manche in der Branche äußern hinter vorgehaltener Hand die Sorge, dass Angebote speziell für Muslime konservative deutsche Kunden abschrecken könnten.
Zeit.de.
Die islamische Welt hatte lange Zeit ein Problem. Gerade in den reichen Golfstaaten existieren riesige Geldvermögen, doch eine Anlage bei gewöhnlichen Banken kommt dafür nicht infrage. Denn die Bibel der Muslime, der Koran, und das davon abgeleitete Regelwerk Scharia verbieten das Kassieren von Zinsen (riba).
Wie können sich also Muslime an die Heilige Schrift halten und dennoch ihr Geld vermehren? Diese Frage beantwortete erstmals der Ägypter Ahmed El-Naggar. In seiner Doktorarbeit, die er in den sechziger Jahren in Köln schrieb, legte er dar, wie man Zinsen und andere Verbote vermeiden und gleichzeitig Geldgeschäfte abschließen kann. Später gründete El-Naggar in seiner Heimat die wohl erste islamische Bank der Welt. Das grundlegende Geschäftsprinzip dahinter: Die Bank streicht keine risikolosen Zinsen ein, wenn sie Kunden einen Kredit gewährt. Stattdessen wird sie am Gewinn beteiligt, der mit dem geliehenen Geld in Zukunft erzielt wird. Das birgt ein gewisses Risiko für den Kreditgeber, der Gewinn kann ja auch einfach ausbleiben, aber immerhin ist dieser Geldhandel mit dem Glauben vereinbar.
Aus El-Naggars Ideen ist ein ernst zu nehmender Zweig der Finanzindustrie geworden. Vor allem im Nahen Osten und in Asien operieren heute gut drei Dutzend islamische Spezialbanken. Ihre Vermögenswerte wachsen laut einer Studie des Beratungshauses Booz & Company Jahr für Jahr um 22,1 Prozent, zuletzt summierten sie sich auf nahezu eine Billion US-Dollar.
Auch in Europa, vor allem in Großbritannien, sind bereits mehrere islamische Banken aktiv. »Hinter den meisten neuen Banken stehen reiche muslimische Investoren, die ihr eigenes Geld sauber anlegen und zugleich diese Möglichkeit auch für andere Muslime schaffen wollen«, erklärt Philipp Wackerbeck, der sich bei Booz & Company auf dieses Thema spezialisiert hat.
Experten schätzen das Marktpotenzial in Deutschland auf 1,2 Milliarden Euro
In Deutschland dagegen ist das Angebot für Privatanleger bislang beschränkt auf drei Aktienfonds, die sich in ihrem Portfolio von herkömmlichen Fonds unterscheiden. Darin kommen weder Banken vor, die reguläre Zinsen zahlen und kassieren, noch sämtliche Anbieter von Glücksspiel, Alkohol oder Pornografie. Daneben gibt es bei der Deutschen Bank und der Hypovereinsbank sogenanntes Ethno-Marketing. In der Praxis heißt das: Deutsche Türken werden hier in ihrer eigenen Sprache umworben und bedient, Religion spielt aber keine Rolle. Und das soll auch so bleiben. Es bestehe keine Nachfrage nach islamischen Produkten, heißt es bei beiden Instituten. Die Commerzbank hat ihren schon im Jahr 2000 aufgelegten islamischen Fonds inzwischen sogar vom Markt genommen.
Angeblich mangels Käuferinteresse. Doch manche in der Branche äußern hinter vorgehaltener Hand die Sorge, dass Angebote speziell für Muslime konservative deutsche Kunden abschrecken könnten.
Zeit.de.