Im März 2009 machte der Vatikan Schlagzeilen: „Papst empfiehlt Islamisches Banking“. Es folgten Gelächter, Kopfschütteln, aber auch Nachdenklichkeit. Gerade in Deutschland ist der Begriff „Islamic Finance“ noch sehr neu. Ende der neunziger Jahre wurden Versuche, schariakonform zu wirtschaften, hauptsächlich belächelt, zunächst lediglich als Weg, arabisches Geld einzusammeln, gesehen. Anders in England, Irland und inzwischen auch Frankreich. Dort hat sich bereits früher die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch in Europa eine zunehmende Anzahl von muslimischen Kunden es vorziehen würden, ihr Geld in einer Form anzulegen und zu verwalten, die mit den islamischen Vorschriften in Einklang steht. Gerade die Bank of Ireland hat sich bereits früh in diesem Geschäft engagiert, in England entstand die erste Islamische Bank in Europa.
In Deutschland legten zunächst einige Banken schariakonforme Fonds auf – die aber tatsächlich nur für Anleger aus dem Ausland zugänglich waren. Mir wollte man seinerzeit nicht einmal Auskünfte darüber erteilen. Das änderte sich langsam – und durch die Krise, die die islamischen Banken und Anlageformen erheblich weniger in Mitleidenschaft zog, auch schneller. Im Oktober 2009 organisierte das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Konferenz zum Thema „Islamic Finance“, deren Thema es u.a. war, wie islamische Finanzierungen und Bankwesen mit deutschem Recht und Steuerrecht vereinbar wären. Aber was ist eigentlich so anders an diesem „Islamic Finance“? Ist es nur „Gebühren statt Zinsen“? Das wird gerade von Gegnern gerne behauptet, das Ganze nur als heuchlerische Umgehung der Zinsen gesehen. Gerade aber die, die von Finanzwesen mehr verstehen, werden schnell merken, wo die Unterschiede liegen. Einzelheiten hat DI Mouddar Khouja in einem kurzen, gut verständlichen und in deutscher Sprache erschienenen Artikel zusammengefasst, ich will hier nur auf einige Punkte eingehen. Zum einen muss bei Geschäften ein realer Wert zugrunde liegen. Das schließt bereits etliche spekulative Anlageformen, Futures, Leerverkäufe etc. aus. Gerade diese aber bargen ein besonders hohes Verlustrisiko in der Krise. Wer natürlich an hohen Spekulationen große Summen verdient, wird dieses System verteufeln wollen. Andererseits bedeuten Gebühren statt Zinsen auch Planbarkeit, Wegfall von Zinseszinsen. So wird z.B. bei der Finanzierung eines Eigenheimes dieses von der Bank erworben bzw. der Bau bezahlt, um dann in Raten vom Bankkunden abgezahlt zu werden. Die Gesamtsumme der Raten liegt höher als die Investition der Bank – daraus ergibt sich deren Gewinn. Der Unterschied zu einem verzinslichen Kredit lässt sich leicht sehen, wenn man sich überlegt, wie die Immobilienkrise in den USA so hochkochte: auslaufende Kreditverträge wurden durch weit höher zu verzinsende abgelöst, die von den Hauskäufern nicht mehr bedient werden konnten – oder sie waren ohnehin mit variablen Zinssätzen abgeschlossen, die dann die Ratenzahlungen unbezahlbar werden ließen. Bei diesem letzten Beispiel sieht auch ein Laie bald, wo die Fragen liegen, die sich bei solchen Geschäften in Deutschland ergeben: wer wird als Eigentümer eingetragen, muss eventuell zweimal Grunderwerbssteuer gezahlt werden? Da wird noch viel Arbeit und Kreativität erforderlich sein – der Zentralrat der Muslime hat Ernst & Young gebeten, sich mit dem Thema zu befassen. Leider liegt mir nur die Presseerklärung vor, nicht aber der Gesamtbericht. Inzwischen gibt es auch Institute, die islamische Geldanlagen auch für kleine Einkommen anbietet, so z.B. Goldsparen oder Beteiligungen an Aktienfonds mit der Arbeitnehmersparzulage. Aber, egal ob kleine oder große Beteiligungen, die Fonds müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um für Muslime halal, erlaubt, zu sein. Dazu gehört, dass nicht in Beteiligungen an Unternehmen investiert wird, deren Verschuldung mehr als ein Drittel ihrer Markkapitalisierung beträgt, mit Alkohol oder Schweineprodukten handeln, an Spielkasinos oder ähnlichen Einrichtungen beteiligt sind – manche Fonds schließen auch Waffenproduktion aus. Die Banken, die solche Fonds auflegen, richten sich beim Ankauf der Aktien nach der Beurteilung islamischer Gelehrter, die sie zu diesem Zweck beauftragen. Ohne das wären solche Fonds nur schlecht zu vermarkten. Es entstanden so etliche islamische Finanz-Indizes, auch einen „Dow Jones Islamic Market“. Die Zuwachsraten sind nicht unerheblich, in guten Jahren nicht interessant, aber in Zeiten der Krise bedenkenswert. Oft maßgeblich an Zinsgeschäften beteiligt sind ja auch Versicherungen, weshalb diese Branche bei gläubigen Muslimen auch nicht sonderlich beliebt ist. Hier bietet sich eine Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit an, dem deutschen Recht nicht fremd, im islamischen Zusammenhang „Takaful“ genannt. Die Mitglieder zahlen ein, aus der Summe werden Versicherungsfälle bedient, bleibt ein Gewinn, wird dieser ausgeschüttet. Bei Verlust muss nachgeschossen werden. In Deutschland gibt es das meines Wissens bislang hauptsächlich auf dem Gebiet der Sterbeversicherung. In islamischen Ländern gibt es größtenteils zur Zeit beide Arten des Bankings – in etlichen aber musste das Islamic Banking erst wieder eingeführt werden. Die Weiterentwicklung wird man sehen, das Interesse an dieser Art der Finanzwirtschaft ist jedenfalls zunehmend. source : Der Freitag
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